„Feministische Entwicklungspolitik“: Eine halbe Million Euro für Gender-Workshops in China

Gender-Trainings in einer chinesischen Provinz, finanziert vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Was zunächst ungewöhnlich klingt, ist Teil eines laufenden Projekts zur Stärkung lokaler Sozialorganisationen in Westchina. Zwischen 2023 und 2027 sollen dafür rund 522.000 Euro aus dem Haushalt der deutschen Entwicklungszusammenarbeit fließen. Projektträger ist die Katholische Zentralstelle für Entwicklungshilfe (KZE).
Kern des Vorhabens ist der sogenannte Gendertransformationsansatz: Mitarbeiter sozialer Organisationen sollen vor Ort geschlechtergerecht sensibilisiert und entsprechend qualifiziert werden. Ziel sei es, Gleichstellung in lokale Strukturen zu integrieren, auch unter Berücksichtigung religiöser und kultureller Kontexte. Welche Maßnahmen konkret umgesetzt werden, lässt sich bislang jedoch kaum nachvollziehen.
Strategische Neuausrichtung im Rahmen der „feministischen Entwicklungspolitik“Unter dem Titel „Kapazitätsaufbau und Gender-Training für zivilgesellschaftliche Basis-Organisationen und Sozialarbeiterstationen in einer Provinz Chinas“ informiert das BMZ auf seiner Website über den Stand des Projekts. Jedoch nur bedingt. Nach Angaben des Transparenzportals des Ministeriums beläuft sich der derzeitige Ausgabenstand auf null Euro. Verwunderlich, da das Projekt bereits seit zwei Jahren läuft.
Auf Nachfrage der Berliner Zeitung teilt das BMZ mit: „Die Zahlen entsprechen nicht dem aktuellen Stand. Für das Projekt wurden bisher Mittel in Höhe von insgesamt 182.500 Euro ausgezahlt.“ Welche Organisationen Geld erhalten haben und wie besagte „Gender-Trainings“ in der Praxis umgesetzt werden, dazu kann das Ministerium keine konkreten Angaben machen: „Die KZE entscheidet bei der Verwendung der Fördergelder eigenständig, wie sie ihre Projekte gestaltet, mit welchen Partnerorganisationen sie zusammenarbeitet und welche inhaltlichen und regionalen Schwerpunkte sie setzt.“
Der Projektträger, die Katholische Zentralstelle für Entwicklungshilfe, hat eine Anfrage der Berliner Zeitung bislang nicht beantwortet. Zudem wurde das Projekt nicht unabhängig evaluiert. Externe Begutachtungen erfolgen laut Ministerium nur stichprobenartig und in der Regel erst nach Abschluss der Förderung.
Das Projekt in China ist nur ein kleiner Teil der strategischen Neuausrichtung des BMZ im Rahmen der „feministischen Entwicklungspolitik“, wie sie im Dritten Aktionsplan zur Gleichstellung der Geschlechter (2023–2027) definiert ist. Der sogenannte Gender-Ansatz der deutschen Entwicklungszusammenarbeit stellt dabei das Verhältnis zwischen den Geschlechtern in den Mittelpunkt. Ziel ist es, nicht nur Frauenrechte zu stärken, sondern auch diskriminierende Strukturen systematisch abzubauen.
Bis 2025 sollen 93 Prozent der Mittel in Gleichstellungsprojekte fließenUnter dem Kapitel „Eine Institution stellt sich auf“ betont das Ministerium die Bedeutung wirksamer Beschwerdemechanismen, die Transparenz und Rechenschaftspflicht bei der Umsetzung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit sicherstellen sollen. Ein zentrales Anliegen ist die verstärkte finanzielle Förderung lokaler, feministischer und zivilgesellschaftlicher Akteure – „insbesondere Graswurzelorganisationen und Menschenrechtsaktivisten“.
Ein klares Ziel hat sich das BMZ selbst gesetzt: Bis 2025 sollen 93 Prozent der neu zugesagten Projektmittel in Vorhaben fließen, die die Gleichstellung der Geschlechter fördern. Dabei geht es dem Ministerium nicht nur um eine quantitative Steigerung der Gelder, sondern auch um eine „qualitative Neuausrichtung im Sinne feministischer Entwicklungspolitik“.
Diese feministische Entwicklungspolitik basiert auf einem inklusiven, nichtbinären Geschlechterverständnis und erkennt die gesellschaftliche Diversität an. Diskriminierungen werden nicht nur anhand der Geschlechtsidentität betrachtet, sondern auch unter Berücksichtigung weiterer Merkmale wie Sprache, Alter, Behinderungen, ethnische oder soziale Herkunft, Religion, sozioökonomische Situation und sexuelle Orientierung. Die Politik zielt darauf ab, diese vielfältigen Lebensrealitäten zu berücksichtigen und alle marginalisierten Gruppen in den Fokus zu nehmen.
Zudem wird im Aktionsplan der Begriff „Mainstreaming“ genannt, der frei übersetzt bedeutet, die Geschlechtergerechtigkeit zur Hauptströmung aller politischen Maßnahmen zu machen und so langfristig in alle Bereiche und Projekte zu integrieren.
Berliner-zeitung